INTERVIEW
GELENKSCHMERZEN UND ARTHROSE GANZHEITLICH BEHANDELN - TEIL 1
Laut der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. leidet etwa ein Viertel aller Deutschen an Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparats. Knapp sieben Millionen Menschen haben schwere chronische Rückenschmerzen. Etwa fünf Millionen symptomatische Arthrosen. Ab dem 60. Lebensjahr sind gut die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer betroffen. Arthrosen gehören zu den wichtigsten Ursachen von körperlicher Behinderung bei Älteren. Neben degenerativen Prozessen sind auch Entzündungen (auch als „aktivierte Arthrosen“ bezeichnet) für die Schmerzen, Gelenkzerstörung und andere Folgen von Bedeutung.
Vor diesem Hintergrund befragen wir exklusiv zwei bekannte Vertreter der naturheilkundlich erweiterten Medizin zu den Ursachen von Gelenkschmerzen und Arthrose, zu den Möglichkeiten einer fachübergreifenden Therapie und wie man den Beschwerden vorbeugen kann.
Das Interview führt Andrea Ciro Chiappa, seit März 2022 Leiter des Bereichs Ernährungstherapie in der Malteser Klinik von Weckbecker.
PROF. DR. ANDREAS MICHALSEN
Professor für Klinische Naturheilkunde der Charité Berlin und Chefarzt der Abteilung Innere Medizin und Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin-Wannsee.
Weitere Informationen zu Herrn Prof. Dr. Michalsen finden Sie am Ende des Interviews.
DR. MED. RAINER MATEJKA
Fastenarzt, Facharzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren und biologische Medizin. Von 2016 bis 2024 Chefarzt der Malteser Klinik von Weckbecker in Bad Brückenau.
Weitere Informationen zu Herrn Dr. Matejka finden Sie am Ende des Interviews.
Herr Prof. Michalsen, in Kooperation mit der Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie bietet ihre Station integrierte rheumatologisch-naturheilkundliche Behandlungen an.
Wie viele Rheuma-Patienten betreuen Sie jährlich in ihren Kliniken? Wie viele Arthrose-Patienten?
PROF. DR. ANDREAS MICHALSEN:
Rheuma- und Gelenkerkrankungen sind ein großer Schwerpunkt in meiner Abteilung, da wir auch ein überregional bekanntes Zentrum für Rheumatologie und Orthopädie sind.
Wenn man die Nebendiagnosen mit berücksichtigt, sind es sicherlich 60-70% aller Patienten, die hier unter Gelenkschmerzen, rheumatischen Erkrankungen oder auch anderen Schmerzsyndromen wie z.B. chronischen Rückenschmerzen oder chronischen Nackenschmerzen leiden. Gerade bei den Kniegelenk-Arthrosen, Sprunggelenk-Arthrosen oder auch Rückenschmerzen und Nackenschmerzen sehen wir Übergewicht oder eine Stoffwechselfehlregulation als entscheidende mitverursachende Faktoren für die chronischen Schmerzen.
Wir können auch in unseren versorgungswissenschaftlichen Daten feststellen, dass wir mit unserem multimodalen Therapiekonzept mit Fasten, Ernährungstherapie, Physiotherapie und auch Heilpflanzen sowie Methoden wie Akupunktur oder Blutegeltherapie oft sehr gute Erfolge erzielen, so dass ein chirurgischer Eingriff häufig abgewendet werden kann. Dies hat sich auch herumgesprochen, so dass die Nachfrage entsprechend hoch ist.
Herr Dr. Matejka, unsere Fachklinik für Heilfasten und Naturheilverfahren sieht in der integrativen Versorgung auch orthopädischer Erkrankungen einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit.
Wie viele Arthrose-Patienten kommen schätzungsweise jährlich in die Klinik von Weckbecker?
DR. MED. RAINER MATEJKA:
Bezieht man Patienten mit Rückenbeschwerden ein, bei denen ja oft an der Wirbelsäule durch bildgebende Verfahren arthrotische Beschwerden nachgewiesen wurden („Osteochondrose“) und auch Patienten, bei denen arthrotische Beschwerden als Nebendiagnose eine Rolle spielen, sind es rund 70 Prozent.
Im Rahmen unseres integrativen Konzeptes stellen wir allerdings eines immer wieder fest: Es sind oft nicht die in Röntgen- oder MRT-Bildern gefundenen Arthroseveränderungen, die zu den Beschwerden führen. Vielmehr spielt oftmals eine Fehlstatik mit verspannter Muskulatur eine wichtige Rolle. Zudem können wir immer wieder bestätigen: Arthrose ist auch ein Stoffwechselproblem.
Die im Volksmund so bezeichnete „Übersäuerung“ ist durchaus real – wird im Übrigen in der angelsächsischen Fachliteratur als „chronic acidity“ oder „chronic metabolic acidosis“ bezeichnet. Durch eine kombinierte Herangehensweise mittels Fasten oder „Basenkost“ mit moderner Physiotherapie lassen sich oft rasche und anhaltende Besserungen erzielen – vorausgesetzt, der degenerative Prozess ist noch nicht zu weit fortgeschritten.
ZUM HINTERGRUND VON GELENKVERSCHLEISS UND ARTHROSE
Was versteht man unter einer Arthrose und wie kommt es zu den Schmerzen?
DR. MED. RAINER MATEJKA:
Der Volksmund spricht von „Gelenkverschleiß“ und Ärzte verwenden gegenüber Patienten oft das gleiche Vokabular. Gemeint ist damit: Der Gelenkknorpel ist degeneriert, so dass ein beschwerdefreies Gleiten der Gelenkflächen aufeinander nicht mehr möglich ist.
Allerdings ist diese Sichtweise sehr mechanistisch und fördert die sogenannte Ersatzteilmedizin – sowohl auf ärztlicher als auch auf Patientenseite, mit der Folge des besonders in Deutschland extrem häufigen Einsatzes künstlicher Gelenke. In Wirklichkeit ist die Sachlage aber komplexer.
Schmerz im Gelenk entsteht durch Bildung sogenannter Schmerzmediatoren in der Gelenkflüssigkeit. Dies geschieht nicht nur in Abhängigkeit von der mechanischen Belastung – etwa durch Übergewicht –, sondern auch durch jahrelange Fehlernährung, wie z.B. einer zu tiereiweißhaltigen Ernährung und zu reichlicher Zufuhr ungünstiger, entzündungstreibender Fettsäuren, wie der im roten Fleisch enthaltenen Arachidonsäure. Außerdem ist keineswegs so eindeutig, ob sich Gelenkknorpel nicht doch bis zu einem gewissen Grad regenerieren kann, auch wenn die Medizin das bislang meist in Abrede stellt.
PROF. DR. ANDREAS MICHALSEN:
Ich teile die Ausführungen meines Vorredners und möchte Folgendes ergänzen. Früher hat man die Arthrose als eine Abnutzungserkrankung, als eine degenerative Erkrankung eingeordnet. Inzwischen hat sich eine andere Sichtweise durchgesetzt.
Zum einen wurde in der Forschung deutlich, dass auch bei der Arthrose eine entzündliche Komponente vorliegt. Das heißt man sieht an den Gelenkinnenhäuten und im Knorpelgewebe deutliche Zeichen der Entzündung, zwar nicht so ausgeprägt wie beim klassischen Rheuma, aber eben doch erkennbar. Zum anderen wird auch Stoffwechselstörungen eine mitverursachende Funktion zugesprochen, d.h. Übergewicht oder das sogenannte Bauchfett aber auch Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes Typ II können eindeutig das Entstehen einer Arthrose fördern. Zudem spielt auch die Übersäuerung des Bindegewebes sowie der Zustand der Gelenkumgebung mit den betreffenden Sehnen, Muskeln und Bändern eine wichtige Rolle.
Dies alles können wir hervorragend therapeutisch beeinflussen, so dass eine Arthrose nicht mehr als schicksalhafte Abnutzung eines Gelenkes anzusehen ist. Daher halte ich es auch für sehr kritisch, wenn immer wieder Ärzte Befunde mit Zitaten wie „Ihr Knie ist kaputt.“ übermitteln. Wenn man eine Arthrose auch nicht im klassischen Sinne heilen kann, kann man sie sehr wohl gut bessern
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KRANKHEITSURSACHEN
Welche sind Ihrer Erfahrung nach die wichtigsten Ursachen für Gelenkschmerzen und Knorpelzerstörung?
DR. MED. RAINER MATEJKA:
Meiner Meinung nach sind es Fehlernährung, Bewegungsmangel, Fehlstatik – oft im Übrigen auch nach Gelenkersatz an Hüfte oder Knie, wodurch sich die Statik ändert und Beschwerden mitunter an den noch nicht operierten Gelenken verstärkt werden können. Das wiederum führt dann zu erneutem operativem Ersatz weiterer Gelenke. So kenne ich Patienten, die innerhalb von zwei Jahren neue Hüft- und neue Kniegelenke bekommen haben. Mit Verlaub: Das halte ich für absurd!
PROF. DR. ANDREAS MICHALSEN:
Auch nach meiner Erfahrung sind es bei der Mehrzahl der Fälle Fehlernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel. Das ist insofern ein interessanter Punkt, als dass man früher glaubte, dass eine Überbeanspruchung durch körperliche Arbeit und zu viel Bewegung dem Gelenk schadet. Natürlich gibt es auch Arthrosen und Abnutzungen durch Überbeanspruchung, z.B. früher bei Arbeitern im Bergbau. Heute aber ist das Hauptproblem die mangelnde Bewegung – und wie mein Kollege Dr. Matejka bereits erwähnte, die chronische Fehlhaltung. Dies führt dann zu einer reduzierten Durchblutung der Gelenkstrukturen und einer reduzierten Ernährung des Knorpelgewebes. Der Bewegungsmangel oder die einseitige Beanspruchung durch monotone Bewegung und zu viel Sitzen führt darüber hinaus oft zu Fehlstatik. So kann es sein, dass aufgrund von Fußproblemen Knieschmerzen oder auch Hüftarthrose gefördert wird. Oder umgekehrt eine Hüftarthrose Rücken- und Nackenschmerzen verursachen kann. Dies weist auch darauf hin, dass hier ein ganzheitliches Denken notwendig ist. Ansonsten kann es passieren, dass z.B. ein Kniegelenk operiert wird und die Beschwerden sich nicht in genügendem Maße bessern. Oder dass diese zwar gelindert sind, aber dann an anderer Stelle starke Schmerzen auftreten.